Leitkonzepte der Hochschuldidaktik - Theorie - Praxis - Empirie

Leitkonzepte der Hochschuldidaktik - Theorie - Praxis - Empirie

von: Stefanie Hartz, Sabine Marx

wbv Media, 2016

ISBN: 9783763956159

Sprache: Deutsch

193 Seiten, Download: 2627 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Leitkonzepte der Hochschuldidaktik - Theorie - Praxis - Empirie



Das Theorie-Modell von Paul Ramsden als Reflexionsansatz zur Einschätzung von Lehre, Lernwirksamkeit und hochschuldidaktischer Arbeit


Kathrin Gläser/Kathrin Munt

Zusammenfassung

Professor Paul Ramsden, ehemaliger Pro-Vice Chancellor (Teaching and Learning) an der Universität von Sydney und heute Key Associate of PhillipsKPA, hat auf der Basis verschiedener Lehr-/Lerntheorien ein Modell entwickelt, das die Einstellung der Lehrenden und Studierenden zum Lernen und Lehren beschreibt. Er stellt mit Hilfe seines Modells effektive Wege für erfolgreiche Lehre dar, gemessen anhand der Learning Outcomes (des Lernzuwachses) der Studierenden. Gute Lehre bedeutet gemäß seines Modells, dass der Lehrende aufdecken will, was bei Studierenden zum Verstehen des Stoffes führt, um darauf aufbauend den Lehr-/Lernprozess zu gestalten. Diese Perspektive eröffnet die Möglichkeit, erfolgreiche Lehre unabhängig von Methodenwahl und Vortragsstil, losgelöst von der Persönlichkeit des Lehrenden und den Rahmenbedingungen wie Gruppengröße oder Räumlichkeiten u. a. zu reflektieren.

Das Modell erweist sich in unserer Arbeit als zutreffende Erklärungsgrundlage einzelner Beobachtungen und Phänomene aus der Lehre und ordnet diese in einen größeren Zusammenhang ein. Darüber hinaus ist es für die hochschuldidaktische Arbeit nützlich, das Modell von Paul Ramsden auf das Verhältnis von HochschuldidaktikerInnen und Lehrenden zu übertragen und die Wechselwirkungen zwischen diesen Gruppen zu analysieren.

Gliederung

1  Lehren und Lernen nach dem Theorie-Modell von Paul Ramsden

2  Welche Erkenntnisse bringt die Übertragung des Modells auf HochschuldidaktikerInnen und Lehrende?

3  Fazit

1   Lehren und Lernen nach dem Theorie-Modell von Paul Ramsden


Das Zusammenspiel von Lehren und Lernen ist ein wesentlicher Punkt bei der Betrachtung von Lernwirksamkeit und den Prinzipien guter Lehre. Gute Lehre kann am effektiven Lernzuwachs der Studierenden gemessen werden. Aus neueren Forschungsergebnissen kann geschlossen werden, dass der Lernzuwachs deutlich größer ist, wenn Interactive Engagement genutzt wird. Unter Interactive Engagement versteht Hake, dass die Studierenden sich aktiv (heads on, hands on) mit den verschiedenen Lehrinhalten befassen und dabei direkt durch Diskussion mit anderen Studierenden und dem Lehrenden in der Lehrveranstaltung Feedback erhalten (Hake 1998). Ebenfalls wird es für ein effektives Lernen als hilfreich angesehen, dass Studierende nicht nur Muster oder Verfahren auswendig lernen, sondern das zugrunde liegende Konzept verstehen (McDermott 1991). Diese Erkenntnisse erfahren aber nur geringe Unterstützung durch das reine Vermitteln in der Lehrveranstaltung (Trigwell & Prosser 2004). Die Vermittlung von Inhalten stellt ein häufiges Lehrbild dar. Lehrbilder sind im Allgemeinen geprägt durch die eigenen Erfahrungen als Studierende und durch die Nachahmung der Lehrpersonen, die man selbst erlebt hat (Feiman-Nemser, McDiarmid, Melnick & Parker 1989).

Während es bei Trigwell und Prosser (2004) um eine Zustandsbeschreibung von Lehre geht, beschreibt Paul Ramsden mit seinem Theorie-Modell (Ramsden 2003) ein Entwicklungskonzept. Das Konzept erklärt, wie sich der Fokus der Lehrpersonen in der Lehre wandeln kann. Außerdem ermöglicht Ramsden mit seinem Modell die unterschiedlichen Einstellungen und Überzeugungen der Lehrenden zur Lehre differenziert zu betrachten.

Durch das Erkennen der unterschiedlichen Einstellungen von Lehrenden kann die Hochschuldidaktik gezielt Fragen entwickeln, die die Lehrpersonen zur Reflexion ihres eigenen Handelns anregen. Hierbei können Rückschlüsse auf die Überzeugungen von guter Lehre gezogen werden. In Lehrberatungen und Workshops hören wir häufig von Schwierigkeiten und Aktivitäten in Lehrveranstaltungen. Mit Hilfe des Phasenmodells erfragen wir systematisch, wie sich die Lehrenden diese Schwierigkeiten erklären, welche Aktivitäten sie daraufhin unternehmen und woran sie die Wirksamkeit ihres Lehrhandelns messen.

Das Modell versteht sich als logisches Konstrukt, das mit Hilfe der Kategorien Fokus, Strategie, Aktivität und Reflexion die Überzeugungen von Lehrpersonen aller Fachgebiete in einer bestimmten Phase abbildet. Das Modell hat drei Phasen, die hierarchisch aufgebaut sind (Tabelle 1).

Jede Phase umfasst die Gedanken und Fertigkeiten der vorherigen. Der Übergang von Phase zu Phase folgt einer scheinbar widersprüchlichen Entwicklung. Einerseits nimmt das relativistische und problematische Verständnis zwischen Lehren und Lernen zu und andererseits wird die Einheit von dem, was der Lehrende tut und was der Studierende lernt, erkannt. In der dritten Phase kommt die Entwicklung bei einer Akzeptanz der ruhelosen Spannung der Gegensätze im Lehren und Lernen an.

Tab. 1: Theorie-Modell von Paul Ramsden

Phase 1
Lehren als Vortragen

Phase  2
Lehren als Organisieren

Phase  3
Lehren als Herbeiführen von Lernen

Fokus

Lehrender und Inhalt

Lehrmethoden, die Lernen ermöglichen

Beziehung zwischen Studierenden und Lernstoff

Strategie

Übermitteln von
Informationen

Managen des Lehrprozesses, Übermitteln von Konzepten

Herausforderung, sich in die Schwierigkeiten hineinzuversetzen, die die Studierenden mit dem Inhalt haben

Aktionen

überwiegend Präsentation, „Infotainment“

Aktives Lernen, Organisieren von Aktivitäten

Systematischer Abgleich des Lehrsettings, um sich dem Verstehensprozess der Studierenden anzupassen

Reflexion

Unreflektiert, Lehrtätigkeit ist selbstverständlich

Perfektion der methodischen Fertigkeiten führt zu einer Verbesserung des Lernens der Studierenden

Lehren ist ein forschungsähnlicher, wissenschaftlicher Prozess, der sich am Lernergebnis der Studierenden misst

Folgerung

Handeln des Lehrenden unabhängig von den Studierenden

Studierende sind aktiv (lernen), aber das impliziert nicht, dass sie neues Wissen  konstruieren (Lernen)

Lernen herbeiführen über die Auseinandersetzung der Studierenden mit den für sie unverständlichen Inhalten

Eine Lehrperson, deren Handlungen und Einstellungen am besten durch Phase 1 beschrieben werden können, setzt ihren Fokus auf sich selbst und den Inhalt. Es geht ihr hauptsächlich um die Informationsübermittlung, die überwiegend präsentiert wird. Hierbei kommt es zu keiner Reflexion des eigenen Handelns, da dieses als selbstverständlich wahrgenommen wird. Die Aufmerksamkeit des Lehrenden richtet sich auf die Qualität des Lehrvortrags und die eigene fachliche Expertise. Kompetenz wird in der Fachcommunity als die bestmögliche Darstellung brillanter Gedankenfolgen definiert. Dies hat zur Folge, dass das Handeln des Lehrenden unabhängig von dem Lernen der Studierenden ist.

Eine Lehrperson, die der Phase 2 zugehörig ist, setzt ihren Fokus auf Lehrmethoden, die Lernen ermöglichen sollen. Es geht um das Managen des Lehr-/Lern­prozesses sowie das Übermitteln von Konzepten. Die Reflexion über den Lehr-Lernprozess bezieht nun die studentische Perspektive mit ein. Gedanken zur Lernatmosphäre in der Lehrveranstaltung sowie zur Motivierung der Lernenden durch methodische Abwechslung beschreiben die Herausforderungen, die Lehrende für sich sehen. Kompetenz misst sich an der Kunstfertigkeit, methodische Vorgaben situativ einzusetzen und Unabwägbarkeiten durch kommunikative Fertigkeiten auszugleichen. Im Gegensatz zu Phase 1 setzen Lehrende hier nicht auf die hervorragende Präsentation, sondern auf das aktive Lernen der Studierenden und das Organisieren dieser Aktivitäten. Lehrenden aus Phase 2 ist die Perfektion der eigenen methodischen Fertigkeiten sehr wichtig, da diese allein in ihrer Sicht zu einer Verbesserung des studentischen Lernens führt. Wir können feststellen, dass Studierende, in einer solchen Veranstaltung aktiv sind (lernen). Aktivität ist aber kein Garant dafür, dass neues Wissen konstruiert, bzw. mit bekanntem Wissen abgeglichen und es erweitert wird (Lernen) (Piaget 2003). Die Phasen 2 und 3 unterscheiden sich gerade in diesem veränderten Verständnis des Begriffs Lernen.

Eine Lehrperson, die der Phase 3 zugehörig ist, setzt ihren Fokus auf das Zusammenspiel von Studierenden und Lernstoff. Es geht darum, das Lehrsetting systematisch dem Verstehensprozess der Studierenden anzupassen. Lehren wird als ein forschungsähnlicher, wissenschaftlicher Prozess verstanden, der sich am Lernergebnis der Studierenden misst. Dazu analysiert der Lehrende fortwährend die Muster in Schwierigkeiten der Studierenden, z. B. in den fehlerhaften Antworten der Studierenden, fasst diese thematisch zusammen und legt die nachfolgende Lehrveranstaltung danach aus.

Auf den ersten Blick ähneln sich Phase 2 und 3 sehr, denn beide nutzen aktivierende Methoden zusätzlich zum Lehrvortrag. Aber während in Phase 2 eine lückenlose Vorbereitung und ein reibungsloser Ablauf der Lehrveranstaltung angestrebt wird, die die Lehre perfektionieren sollen, geht es in Phase 3 um eine Ausrichtung der Lehre auf die Schwierigkeiten der Studierenden mit dem Stoff. Aktivierende Methoden unterstützen das „Hervorlocken“ studentischer Gedanken und Antworten zum Stoff,...

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