Lehren und Lernen mit Tutorials und Erklärvideos

Lehren und Lernen mit Tutorials und Erklärvideos

von: Stephan Dorgerloh, Karsten D. Wolf

Beltz, 2020

ISBN: 9783407632197

Sprache: Deutsch

189 Seiten, Download: 6218 KB

 
Format:  EPUB

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Lehren und Lernen mit Tutorials und Erklärvideos



2 Früher Bildungsfernsehen, heute YouTube? – Erklärvideos als modernes Bildungsformat


Lernende und Lehrende haben in den 2010er-Jahren Erklärvideos und Tutorials überraschend schnell in ihre eigenen Medienrepertoires integriert. Werden hier die ursprünglichen Ziele des Bildungsfernsehens eingelöst? Welche Besonderheiten bzgl. des Formates Erklärvideo und der Plattform YouTube gilt es dabei zu berücksichtigen? Im Beitrag von Gerhard Tulodziecki (Kap. 2.1) wird zunächst die geschichtliche Entwicklung des Bildungsfernsehens in Deutschland nachgezeichnet. Karsten D. Wolf analysiert, warum es Erklärvideos besser als traditionellen Formen des Bildungsfernsehens gelingt, eine breite Zielgruppe zu erreichen (Kap 2.2). Abschließend werden in einer Reihe von Interviews (Kap. 2.3) mit zentralen Personen des Bildungsfernsehens (Joachim Bublath) und YouTubern (Derek Muller – Veritasium; Johann Carl Beurich – DorFuchs, Kai Schmidt – LehrerSchmidt; Alex Giesecke – SimpleClub; sowie Nicole Valenzuela – musstewissen) besondere Aspekte der Gestaltung von Erklärvideos im Kontext von YouTube erläutert.

2.1 Zur Geschichte des Bildungsfernsehens – Entwicklungen, Hoffnungen und Einschätzungen aus heutiger Sicht


Gerhard Tulodziecki

Der emeritierte Professor für Allgemeine Didaktik und Medienpädagogik an der Universität Paderborn, Dr. Gerhard Tulodziecki, ist eine zentrale Gestalt der Medienpädagogik in Deutschland. Aktuell prägt er zusammen mit Bardo Harzig und Silke Grafe die Diskussion um den Begriff der Medienbildung. In den 1980er-Jahren entwickelte er ein Konzept zur handlungs- und entwicklungsorientierten Medienpädagogik für die Schule. In den 1970er-Jahren führte Gerhard Tulodziecki Begleituntersuchungen zu Projekten des öffentlichen Schulfernsehens durch.

Als es 1952 nach vorlaufenden Versuchen sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland zu einem regelmäßig ausgestrahlten Fernsehen kam, galt es als selbstverständlich, dass ihm neben der Informations- und Unterhaltungsfunktion auch kulturelle Aufgaben und ein Bildungsauftrag zukommen. Damit stand das Fernsehen in der Tradition sowohl des Hörfunks als auch des Lehr- oder Unterrichtsfilms, denen schon in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Bildungsaufgaben zugewiesen worden waren. Mit dem Bildungsauftrag des Fernsehens war zugleich die Hoffnung verbunden, die – nach dem Ende des Naziregimes eingeführten – politischen Strukturen in West- und Ostdeutschland im Bewusstsein der Menschen zu stabilisieren: sei es im Sinne westlicher Demokratien, sei es im Sinne des Sozialismus. Für die Entwicklung in Deutschland war zudem wichtig, dass die Verbreitung des Fernsehens sowohl in westlichen Ländern, z. B. Großbritannien und USA, als auch in östlichen Ländern, z. B. in der Sowjetunion, vorangetrieben wurde.

Zur Entwicklung von den 1950er-Jahren bis zum Ende der 1970er-Jahre


In den 1950er-Jahren entsprachen sowohl das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Westdeutschland als auch das staatlich gelenkte Fernsehen in der DDR dem Bildungsauftrag vor allem durch Sendungen aus den Bereichen Information (z. B. Berichterstattung und Diskussionen zu wichtigen politischen Ereignissen), Kultur (z. B. Übertragung von Musikereignissen und Theateraufführungen), Wissenschaft (z. B. Naturwissenschaft und Technik) oder Kinder und Jugend (z. B. Zoobesuche und andere Tiersendungen) (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2017). Insofern ging es (noch) nicht um ein zielgerichtetes Bildungsprogramm, sondern um Sendungen, von denen man unterstellte, dass ihre Inhalte (auch) für die Bildung bedeutsam seien – allerdings ohne einen expliziten Bildungsbegriff.

In den 1960er- und 1970er-Jahren wurden in West- und Ostdeutschland (allgemeine) Sendungsformate, die man als bildungsrelevant betrachten kann, weiterentwickelt oder neu eingeführt, z. B. politische Magazine, Wissenschaftssendungen, Dokumentationen zu anderen Ländern, Ratgebersendungen, Wirtschaftsmagazine, Sprachkurse sowie Kinder- und Jugendprogramme. In der DDR hatte dabei das Kinderfernsehen einen besonders hohen Stellenwert. Es galt als wichtiger Bestandteil einer Erziehung zur »allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeit«. In Westdeutschland konzentrierte man sich beim Kinderfernsehen dagegen auf Programme zur Förderung der sozial-kognitiven Entwicklung von Vorschulkindern, z. B. mit der Sendereihe »Sesamstraße« (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2017). Des Weiteren entstand in Ost und West das Schulfernsehen als zielgerichtetes Bildungsprogramm. So strahlte der Norddeutsche Rundfunk ab 1961 Versuchssendungen aus und ab 1964 gab es ein regelmäßiges Schulfernsehprogramm des Bayerischen Rundfunks. Anfang der 1970er-Jahre konnte in allen westdeutschen Bundesländern auf ein Schulfernsehprogramm zurückgegriffen werden (vgl. z. B. Merkert 1977). Auch in der DDR wurde im Laufe der 1970er-Jahre ein regelmäßiges Schulfernsehprogramm eingerichtet. Zudem etablierte sich mit dem Telekolleg des Bayerischen Rundfunks ab 1967 ein Medienverbund, mit dem Erwachsene die so genannte »Mittlere Reife« und ab 1972 auch die »Fachhochschulreife« erwerben konnten.

Als Hintergrund für die Entwicklung zielgerichteter Bildungsprogramme kann u.a. der Wettstreit der politischen Systeme in Ost und West gelten, der zu besonderen Bildungsbemühungen führte – in den westlichen Bundesländern vor allem in der Folge des so genannten »Sputnik-Schocks« von 1957. Außerdem wurden verstärkte Bildungsmaßnahmen durch Gerhard Picht (»Die deutsche Bildungskatastrophe«, 1964) angemahnt. Als günstige Bedingung für Bildungssendungen kam in Westdeutschland hinzu, dass mit der Einrichtung des »Zweiten Deutschen Fernsehens« (1961) den Landesrundfunkanstalten das Recht eingeräumt wurde, Dritte Fernsehprogramme zu betreiben, sodass mehr Sendekapazität für Bildungsprogramme zur Verfügung stand. Erweiterte Möglichkeiten für Bildungsprogramme ergaben sich 1969 durch die Einrichtung eines Zweiten Programms auch für die DDR.

Zur Entwicklung von den 1980er-Jahren bis heute


In den Fernsehprogrammen in Ost und West haben die oben beispielhaft genannten und für Bildung potenziell bedeutsamen Sendungsformate in den Bereichen Information, Kultur, Wissenschaft, Beratung, Kinder und Jugendprogramm auch in den folgenden Jahrzehnten eine wichtige Rolle gespielt und sind bis heute bedeutsam. Dabei waren die äußeren Bedingungen allerdings einem erheblichen Wandel unterworfen. So änderten sich z. B. die technischen Bedingungen durch die Einführung des Farbfernsehens (Ende der 1960er-Jahre) und die verbesserten Möglichkeiten der Magnetbandaufzeichnungen (1970er-Jahre) sowie durch die bis heute zunehmende Digitalisierung. Zudem kam es in Westdeutschland 1984 zur Einführung des Dualen Rundfunksystems mit öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehveranstaltern. Das Duale System wurde nach der Wiedervereinigung auf ganz Deutschland übertragen und prägt auch heute die Fernsehlandschaft (vgl. RStV – Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien 2016).

Mit Blick auf das Bildungsfernsehen ist zunächst wichtig, dass im Rundfunkstattsvertrag (RStV) ein Vollprogramm – sei es öffentlich-rechtlicher oder privater Art – definiert ist als »Rundfunkprogramm mit vielfältigen Inhalten, in welchem Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden« (§ 2 Abs. 2). Außerdem wird festgelegt, dass die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten »das Spartenprogramm ARD-Alpha mit dem Schwerpunkt Bildung vom BR« veranstalten (§ 11 b Abs. 2).

Bezüglich des Schulfernsehens haben die Entwicklungen seit der Einführung des Dualen Systems dazu geführt, dass immer mehr Rundfunkanstalten ihr früheres Schulfernsehprogramm zurückgefahren oder ganz eingestellt haben. Dies war zum einen durch die Konkurrenz zum Privatfernsehen bedingt und zum anderen durch die – für ein Massenmedium – relativ geringen Nutzungszahlen. So...

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