Methoden der Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie (B/III/3)

Methoden der Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie (B/III/3)

von: Siegfried Greif, Kai-Christoph Hamborg

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2018

ISBN: 9783844415155

Sprache: Deutsch

694 Seiten, Download: 3425 KB

 
Format:  EPUB

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Methoden der Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie (B/III/3)



|XXI|Vorwort


Es gibt sehr gute enzyklopädische Darstellungen zum Stand der wissenschaftlichen Forschung in der Arbeits- und Organisationspsychologie, wie beispielsweise die bei Hogrefe erschienenen Enzyklopädiebände zur Arbeits- und Organisationspsychologie oder englischsprachige, bei Sage oder Consulting Psychologists Press erschienene, Handbücher zur Industrial and Organizational Psychology. Der vorliegende Enzyklopädieband ist dennoch etwas Besonderes, weil er sich speziell auf die Methoden der Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie (AOW) konzentriert. Genauer eingegrenzt, sind dies die Analyse-, Diagnose- und Interventionsmethoden aus diesem Bereich. Zusammengenommen kann man sie als den praktischen Kern der AOW und ihrer Anwendungsfelder sehen.

Insgesamt betrachtet, ist die Menge der Anwendungsfelder der Methoden der AOW außerordentlich umfangreich und vielfältig. Diese Anwendungsfelder gehören keineswegs nur zur Psychologie, sondern werden geteilt mit Nachbardisziplinen wie Betriebswirtschaft, Ingenieurwissenschaft, Informatik, Arbeitsmedizin, Soziologie und Sozialwissenschaften, Pädagogik und Erwachsenenbildung oder Kommunikationswissenschaften. Entsprechend gibt es eine breite Palette praktischer Analyse- und Interventionsmethoden, u. a. zu Fragen der Arbeitsgestaltung, Personalauswahl, Personalentwicklung, der Gestaltung von Führungsprozessen, der Teamgestaltung, Unternehmensberatung oder zum Marketing sowie zu Maßnahmen zur Wiederbeschäftigung von Erwerbslosen, ja sogar zu Interventionen auf der gesellschaftlichen Ebene, die sich etwa auf Einstellungen zum Umgang mit Geld und zur Steuerehrlichkeit richten.

Eine weitere Besonderheit des vorliegenden Enzyklopädiebandes ist, dass er vorwiegend evidenzbasierte Methoden zusammenstellt. Hierunter werden Methoden verstanden, deren Güte und praktische Wirksamkeit durch wissenschaftliche Studien überprüft wurden. Im folgenden Abschnitt gehen wir kurz auf die Programmatik evidenzbasierter Praxis ein.

Entstehung der Forderung einer evidenzbasierten Praxis


Die Forderung ist nicht neu, praktische Entscheidungen und Handlungen auf wissenschaftliche Forschung zu stützen. William Stern (1903) forderte dies bereits vor über 100 Jahren in seiner ersten programmatischen Schrift zur Ange|XXII|wandten Psychologie und förderte frühe Gründungen von angewandten Pionierinstituten (Greif, 2007). Im ersten Lehrbuch zur Wirtschaftspsychologie wendet Hugo Münsterberg (1912) die damals bereits vorliegenden Forschungserkenntnisse und -methoden in einer modern anmutenden Weise auf vielfältige praktische Fragen an, wie Personalauswahl, Arbeitsleistungen, Ermüdung und Lernen sowie die Gestaltung von Werbemitteln. An der Harvard Universität in den USA gründet er die ersten psychologischen Laboratorien und eine ausgeprägt anwendungsorientierte Forschung.

Mit dem Programm einer evidenzbasierten Medizin erhält die Forderung, verantwortliches praktisches Handeln durch wissenschaftliche Forschung abzusichern, in den 1990er Jahren starken Auftrieb. Rousseau (2014) zitiert aus den Anfängen der evidenzbasierten Medizin stammende konkrete Kritikpunkte nach Sackett et al. (2000) an der damaligen medizinischen Praxis, die auf die Praxis im Managementfeld übertragbar und bis heute zutreffend erscheinen (Rousseau, 2014, xxii, freie Übersetzung):

  • „Die Kluft zwischen Forschung und Anwendung ist groß.

  • Viele Praktiken schaden mehr, als dass sie nutzen.

  • Praktikerinnen und Praktiker lesen keine wissenschaftlichen Fachzeitschriften.

  • Die Forschungsthemen werden von der Wissenschaft und nicht von der Praxis angetrieben.

  • Die Anwendung in der Praxis wird mehr durch Maschen und Moden angetrieben, als durch Forschung.“

Diese Kritikpunkte sowie die Programmatik einer evidenzbasierten Praxis wurden in der Folgezeit in verschiedenen weiteren Wissenschaftsdisziplinen aufgegriffen. Bereits 1998 unternahm Briner (1998) einen Versuch, Ideen der evidenzbasierten Medizin auf die Praxis der Organisationspsychologie zu übertragen (siehe dazu auch Briner & Rousseau, 2011). 2005 bildete das Präsidium der American Psychological Association (APA) eine Task Force zur evidenzbasierten Praxis in der Psychologie, deren Arbeitsergebnisse im August 2005 vorgestellt und als grundlegende Richtlinie der APA angenommen und veröffentlicht wurden (APA, 2006). Die Richtlinie bezieht sich vornehmlich auf den psychotherapeutischen und den Gesundheitsbereich (public health). Evidenzbasierte psychologische Praxis (EBPP) wird hier durch die Integration der „besten wissenschaftlichen Forschungsbefunde“ (best research evidence) und der fachlichen Expertise der entsprechenden Praktikerinnen und Praktiker definiert (APA, 2006, S. 273). Allgemeint zielt EBPP auf eine Verbesserung der Effektivität psychologischer Praxis. Die Prinzipien evidenzbasierter Praxis wurden im Folgenden u. a. auch auf den Managementbereich (Pfeffer & Sutton, 2006; Rousseau, 2006) sowie die Arbeits- und Organisationspsychologie (Briner & Rousseau, 2011) über|XXIII|tragen. Zu den zentralen Kennzeichen des evidenz-based Managements (EbM) zählt die Nutzung der besten zugänglichen wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse, z. B. über Ursache –Wirkungszusammenhänge, und Methoden im Gegensatz zur Orientierung an persönlichen Vorlieben und Erfahrungswerten bei Entscheidungen und Interventionen in Organisationen (Rousseau, 2014; Brodbeck, 2008).

Die Zusammenstellung der in diesem Enzyklopädieband vorgestellten Analyse-, Diagnose- und Interventionsmethoden für das Anwendungsfeld der Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie sollte den Anforderungen an evidenzbasierte Praxis im Sinne der oben aufgeführten APA-Definition entsprechen. Die Autorinnen und Autoren des Bandes wurden deshalb darum gebeten, für die breit angelegten Themenfelder, die am besten wissenschaftlich fundierten Methoden auszuwählen. Dies beinhaltet, dass die dargestellten Analyse- und Diagnosemethoden den Ansprüchen an einschlägige Gütekriterien genügen und für die berücksichtigten Interventionen und Interventionsmethoden möglichst Befunde sowohl zur Wirksamkeit durch eine systematische und wissenschaftliche Evaluation ihrer Effekte als auch zu ihrer Anwendbarkeit, Umsetzbarkeit und Nützlichkeit vorliegen sollen (siehe dazu APA, 2006). Um innovative Entwicklungen nicht aus dem Blick zu verlieren, konnten die Autorinnen und Autoren des Bandes zusätzlich ausgewählte zukunftsträchtige, noch nicht überprüfte Methoden mit in die Darstellungen aufnehmen. Dabei sollen sie aber kenntlich machen, wo Untersuchungen zur Überprüfung der Güte und Wirksamkeit der jeweiligen Methoden noch erforderlich erscheinen.

Die für eine evidenzbasierte psychologische Praxis erforderlichen „besten wissenschaftlichen Forschungsbefunde“ lassen sich auf unterschiedliche Weise mit qualitativen und quantitativen Methoden, durch Fallstudien, unterschiedliche Formen der Feld- und Evaluationsforschung, verschiedene (Quasi-)Experimentelle Designs bis hin zu zusammenfassenden Meta-Analysen gewinnen (APA, 2006, S. 274). Es kann als ein Markenzeichen des vorliegenden Enzyklopädiebandes angesehen werden, dass in den Kapiteln zahlreiche Metaanalysen wiedergegeben werden.

Die zukünftige Forschung für eine evidenzbasierte Praxis sehen wir verortet in der gegenstands-, personen- und kontextangemessenen Kombination qualitativer und quantitativer Methoden. In neueren Methoden-Einführungsbüchern (Creswell, 2014; Häder, 2010; Hussy, Schreier, & Echterhoff, 2010) werden solche „Mixed Methods“ ebenfalls zunehmend propagiert und auch von der APA (2006) oder von Rousseau (2014) für die evidenzbasierte Praxis ausdrücklich empfohlen.

|XXIV|Ziel evidenzbasierten Managements ist die „Verwendung von Management-Techniken, für die mit zuverlässigen und validen Studien nachgewiesen wurde, dass sie funktionieren“ (Latham, 2009). Jede Intervention, die nachweislich zu praktisch nützlichen Effekten führt, ist dabei von Interesse. Ein wichtiger Grund dafür, warum sich eine evidenz-basierte psychologische Praxis auf wissenschaftliche Befunde stützen sollte ist, dass Studien, die von unabhängig denkenden und handelnden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nach dem Stand der Forschung und Anwendung durchgeführt wurden, nach vorliegenden Erfahrungen die verlässlichste Evaluation liefern.

Übersicht über die Kapitel des Bandes


Der vorliegende Enzyklopädieband...

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